Kostenrechnungssysteme – Vollkostenrechnung

Es gibt nicht nur das eine Kostenrechnungssystem bzw. die eine Kostenrechnung (Kosten- und Leistungsrechnung), sondern zahlreiche unterschiedliche Kostenrechnungssysteme. Diese sind Ihnen nachfolgend im Detail erläutert.

„Bei der Kosten- und Leistungsrechnung werden nur diejenigen Ereignisse erfasst, die unmittelbar eine betriebliche Leistung darstellen. Dabei spielt es keine Rolle, ob der jeweilige Vorgang zu einer Ausgabe geführt hat oder nicht. Es ist bei kalkulatorischen Kosten auch nicht von Bedeutung, ob der Vorgang für die GuV-Rechnung relevant war.“ (Quelle: https://refa-consulting.ag/unternehmensberatung/kostenrechnung)

Einteilung der Kostenrechnungssysteme

Kostenrechnungssysteme lassen sich nach dem Zeitbezug in

  1. Istkosten-,
  2. Normalkosten- und
  3. Plankostenrechnungssysteme

gliedern. Nach dem Sachumfang unterscheidet man dagegen

  1. Vollkosten- und
  2. Teilkostenrechnungssysteme.

Beide Ansätze werden Ihnen anhand der folgenden Abbildung und des nachstehenden Textes erläutert.

Kostenrechnungssysteme

Demnach lassen sich im Überblick insgesamt 6 Kostenrechnungssysteme unterscheiden, da der Sachumfang und der Zeitbezug als Kriterien zu verbinden sind. Folglich gibt es Istkostenrechnungen als Vollkostensysteme und Teilkostenrechnungen. Entsprechendes gilt auch für die Plankostenrechnungen und für die Normalkostenrechnungen. All diese Systeme können über eine Kostenartenrechnung, eine Kostenstellenrechung oder eine Kostenträgerrechnung verfügen.

Allgemeiner Aufbau von Kostenrechnungssystemen

Ein Kostenrechnungssystem besteht also klassischerweise aus drei Teilrechnungen:

Im Rahmen der Kostenartenrechnung sind alle Kosten zu erfassen und zu ordnen. Als Kriterium zur Bildung von Kostenarten gilt im Regelfall die Art des verbrauchten Produktionsfaktors. So entstehen aus verbrauchten Werkstoffen die Materialkosten, aus der Nutzung des Produktionsfaktors menschliche Arbeit die Personalkosten und aus dem Gebrauch der Betriebsmittel vor allem die kalkulatorischen Abschreibungen. Zusätzlich nutzen Unternehmen oft Fremdleistungen, die ebenfalls zu unterschiedlichen Kostenarten (bspw. Energiekosten, Finanzkosten, Beratungskosten) führen.

Im Rahmen der Kostenstellenrechnung sind die Gemeinkosten auf die Unternehmensbereiche (Kostenstellen) zu verteilen, in denen diese angefallen sind. Mit Hilfe der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung können die Kosten von Hilfskostenstellen auf Hauptkostenstellen weiter verrechnet werden. Letztlich ergeben sich Verrechnungssätze zur Verarbeitung der Gemeinkosten.

Letztlich besteht die Aufgabe der Kostenträgerrechnung darin, die Produkte und Leistungen eines Unternehmens kostenrechnerisch zu kalkulieren und Informationen zur Bestimmung des Betriebsergebnisses (Kostenträgerzeitrechnung) bereitzustellen.

Die Aufteilung des Kostenrechnungssystems in die drei Teilrechnungen kann sowohl auf Istkosten-Basis als auch auf Basis von Plankosten erfolgen.

Kostenrechnung und Kostenmanagement

Ergänzend sind an dieser Stelle auch moderne Systeme des Kostenmanagements zu nennen, die an die Systematik der Kostenrechnung anknüpfen. Zu diesen zählen zum Beispiel das Target Costing, das Prozesskostenmanagement oder die Lebenszykluskostenrechnung. Insbesondere das Prozesskostenmanagement ist dazu in der Lage, die Kostenstellenrechnung als Teil des Kostenrechnungssystems zu ergänzen. Im Unterschied zur Kostenrechnung versucht das Kostenmanagement gestaltend und steuernd auf Kostenstrukturen, Kostenniveau und Kostenverlauf einzuwirken. Kostenrechnungssysteme haben dagegen eher dokumentarischen Charakter.

Kostenrechnungssysteme und deren Zeitbezug

Die Ist-Kostenrechnung bezieht sich auf die tatsächlich angefallenen Kosten in einer Periode. Also verwendet sie die mit Ist-Preisen bewerteten Ist-Verbrauchsmengen. Damit ist sie eine vergangenheitsorientierte Rechnung. Denn sie kann erst durchgeführt werden, wenn die Kosten bereits angefallen sind. Dennoch lassen sich die Istkosten nicht sehr einfach angeben, weil zur Bestimmung der Istkosten die tatsächlichen Verbrauchsmengen ermittelt werden müssen und auch mit den tatsächlichen Preisen dieser Verbrauchsmengen zu bewerten sind.

Dagegen werden als Normalkosten die durchschnittlichen Ist-Kosten vergangener Perioden bezeichnet. Auf diese Weise wird versucht, die Ist-Kosten um außergewöhnliche Effekte zu bereinigen. So kann eine starke vorübergehende Preisveränderung auf dem Beschaffungsmarkt zu starken vorübergehenden Kostenveränderungen bei den Materialkosten führen.  Diese waren vielleicht so in der Zukunft nicht zu erwarten und in der Vergangenheit nicht vorauszusehen.

Normalkostenrechnung

Bei der Plankostenrechnung versucht man, Kostenvorgaben aufgrund technischer Berechnungen oder aufgrund von Verbrauchsstudien festzulegen. Darüber hinaus verwendet man Planpreise. Als wesentliche Kostenbestimmungsfaktoren gelten die Kapazität des Unternehmens. Darüber hinaus können das fertigungstechnische und das organisatorische Verfahren kostenbestimmend sein. Auch die Preise der Produktionsfaktoren und deren Qualität, die Ausbringung (Beschäftigung) sowie die Wirtschaftlichkeit der Betriebsführung sind wichtig. Letztlich ist die Plankostenrechnung die Basis für eine fundierte Kostenschätzung für die Zukunft.

Vollkostenrechnung und Teilkostenrechnung

Ein Kostenrechnungssystem, das alle Kosten verrechnet, heißt Vollkostenrechnung. Und da in diesem Fall auch die Fixkosten mitberücksichtigt werden, kann ein solches System in der Regel nicht als Grundlage für unternehmerische Entscheidungen (über die Kalkulation der Preise hinaus) herangezogen werden. Letztendlich ist das damit zu begründen, dass die enthaltenen Fixkosten meist kurzfristig nicht vermieden werden können.

Dagegen verarbeiten Teilkostenrechnungssysteme in der Grundform nur die variablen Kostenanteile bei der Zuteilung der Kosten auf Kostenträger. Ergänzend übernehmen sie die Fixkosten en bloc in die Erfolgsrechnung. Damit wird einerseits eine wirksame Kostenkontrolle gewährleistet. Andererseits können die Ergebnisse für bestimmte betriebliche Planungen herangezogen werden. Vor allem sind dies solche, bei denen die Auswirkungen bestimmter Entscheidungen auf die entstehenden Kosten und Leistungen zu Grunde zu legen sind.

Vollkostenrechnung u. Teilkostenrechnung

Probleme der Istkostenrechnung

Wie bereits zuvor erläutert wurde, müssen für die Istkostenrechnung die tatsächlichen Verbrauchsmengen der Produktionsfaktoren mit den tatsächlichen Preisen mulitpliziert werden. Wie Sie sich vorstellen können, ist das nicht einfach, wenn es darum geht, die Nutzung der Betriebsmittel kostenrechnerisch in einem Kostenrechnungssystem zu verarbeiten. Grundsätzlich verwendet man dazu das Konzept der kalkulatorischen Abschreibungen. Es gibt aber nicht nur eine Abschreibungsmethode, sondern mehrere unterschiedliche, die alle ihre Berechtigung haben.

Auch ist die Ermittlung der Istkosten bei einem Kostenrechnungssystem auf Istkosten-Basis insbesondere dann kompliziert, wenn die Verbrauchsmengen aus unterschiedlichen Beschaffungsmengen stammen, für die unterschiedliche Preise zu zahlen waren. Betrachten Sie dazu das folgende Beispiele der Materialkosten:

Beispiel zu Materialkosten auf Istkosten-Basis

Nehmen Sie einmal an, Sie haben von einem Werkstoff einmal 500 Einheiten zu 3 Euro je Einheit, danach einmal 1.000 Einheiten zu 2,50 Euro je Einheit und letztlich noch einmal 700 Einheiten zu 3,30 Euro eingekauft. Ohne einen Anfangsbestand standen Ihnen dann insgesamt 2.200 Einheiten des Werkstoffs zur Verfügung. Nun seien von diesen 2.200 Einheiten erst 1.700 Einheiten verbraucht, d.h. am Ende der Periode liegen noch 500 Einheiten auf Lager. Dieser Lagerbestand ist also noch nicht verbraucht und hat demnach noch keine Materialkosten verursacht.

Jetzt müssen Sie klären, woher die 1.700 verbrauchten Einheiten kommen:

Es ist denkbar, dass Sie die erste und die zweite Beschaffungsmenge bereits komplett verbraucht haben. Das sind dann schon einmal 500 Einheiten zu 3 Euro je Einheit (1.500 Euro) und 1.000 Einheiten zu 2,50 Euro je Einheit (2.500 Euro). Die noch fehlenden 200 Einheiten kommen dann aus der dritten Beschaffungsmenge zu 3,30 Euro je Einheit (660 Euro), so dass Sie insgesamt Materialkosten von 4.660 Euro verbuchen können. Mit dieser Rechnung folgen Sie dem FIFO-Prinzip, also first-come-first-serve. Das Material, das als Erstes zugegangen ist, wird auch als Erstes verbraucht.

Allerdings ist auch möglich, dass Sie die zweite und die dritte Beschaffungsmenge bereits komplett verbraucht haben. Das sind dann schon einmal 1.000 Einheiten zu 2,50 Euro je Einheit (2.500 Euro) und 700 Einheiten zu 3,30 Euro je Einheit (2.310 Euro), so dass Sie insgesamt Materialkosten von 4.810 Euro verbuchen können. Mit dieser Rechnung folgen Sie dem LIFO-Prinzip, also last-come-first-serve. Das Material, das als Letztes zugegangen ist, wird auch als Erstes verbraucht, wie es bei verderblichem Material oder bei Schüttlagern üblich ist.

Materialkosten auf Ist-Kosten-Basis in der Vollkostenrechnung

Doch welcher Ansatz ist der Richtige? Und was ist mit den Kosten der Lagerhaltung für das noch nicht verbrauchte Material? Zählen diese nicht zu den Materialkosten? Sie sehen, es bleiben offene Fragen, auf die jedes Unternehmen eine eigene Antwort finden muss. Denn letztlich gilt es bei einer Ist-Kostenrechnung auf Vollkostenbasis alle Kosten zu erfassen. Letztlich muss nur geklärt sein, an welcher Stelle die Kosten verrechnet werden.

Probleme der Teilkostenrechnung

Wie Sie schon gelesen haben, sind bei einer Teilkostenrechnung als Kostenrechnungssystem nur ein Teil der Kosten zu verrechnen. Aber welche sind das?

Typischerweise sind für einige Fragestellungen nur die variablen Kosten relevant. Dann lässt sich das Konzept der einstufigen Deckungsbeitragsrechnung nutzen. Warum ist das so? Die variablen Kosten haben die Eigenschaft, dass sie sich verursachungsgerecht den Kostenträgern zuordnen lassen. Das liegt daran, dass sie sich der Höhe nach ändern, wenn sich die Ausbringungsmenge ändert. Wenn Sie also 200 Einheiten mehr produzieren wollen und dabei 500 Euro Mehrkosten erwarten, dann sind diese 2,50 Euro zusätzliche Kosten pro Einheit eindeutig (verursachungsgerecht) der Mehrmenge zuordnen. Bei Entscheidungen hinsichtlich der Annahme von Zusatzaufträgen genügt folglich die Betrachtung ausschließlich der variablen Kosten.

Anders sieht es aus, wenn Sie sich fragen, ob eine Produktart überhaupt wirtschaftlich lukrativ für das Unternehmen ist. Dann genügt es nicht, nur die variablen Kosten zu betrachten. Vielmehr müssen Sie dann auch die fixen Kosten berücksichtigen, die man verursachungsgerecht einer Produktart zurechnen kann. Und diese produktfixen Kosten gibt es immer dann, wenn Sie für die Produktart beispielsweise ein Spezialwerkzeug verwenden, das nur bei dieser einen Produktart benötigt wird. Die gesamten Werkzeugkosten (oft dann auch als Sondereinzelkosten der Fertigung bezeichnet –  beispielsweise bei einer Zuschlagskalkulation) sind das als produktfixe Kosten ebenfalls entscheidungsrelevant. Denn stellen Sie die Produktart ein, können Sie das Spezialwerkzeug veräußern und damit auch die produktfixen Kosten einsparen, zumindest mittelfristig.

Break-even-Analyse als spezielle Teilkostenrechnung

Innerhalb der Thematik der Kostenrechnungssysteme ist insbesondere als spezielle Teilkostenrechnung noch die Break-even-Analyse darzustellen. Ihre Aufgabe liegt darin, die Menge eines Verkaufsgutes zu bestimmen, die erforderlich ist, um die Gewinnschwelle, den sogenannten Break-even-Punkt, zu erreichen. Im Ein-Produkt-Fall ist der Break-even-Punkt erreicht, wenn die Verkaufsmenge dem Quotienten aus Fixkosten und Stück-Deckungsbeitrag entspricht. Es zeigt sich somit eine hohe Verwandtschaft von Break-even-Analyse und Deckungsbeitragsrechnung.

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