Logistikkostenmanagement mit Kennzahlen

Das Logistikkostenmanagement ist Teil des operativen Kostenmanagements. Gerade in Industrieunternehmen und im Handel bietet dabei das Logistikkostenmanagement gute Gelegenheiten, die Struktur und das Niveau Ihrer Kosten operativ zu beeinflussen. Denken Sie dabei daran, dass nur gut strukturierte und reibungslos funktionierende Logistikprozesse eine postitive Wirkung auf die Logistikkosten haben können.

Lesen Sie im folgenden Text, wie Sie Ihre Logistikkosten wirkungsvoll steuern können. In einem ersten Schritt sollten Sie sich dazu einmal einen Überblick über Ihre Prozesse in der Logistik verschaffen. Und das funkioniert oft sehr gut mit Hilfe von Kennzahlen.

Die Ausführungen in diesem Text basieren auf dem Konzept von Elena Schumacher, Absolventin des Masterstudiengangs Wirtschaftsingenieurwesen an der htw saar:

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Aufnahme der aktuellen Situation durch Kennzahlen

Grundlage einer jeden Kostenoptimierung ist oftmals die Aufnahme der richtigen Kennzahlen. Kennzahlen zeigen oft mehrdimensionale Zusammenhänge in ihrem Unternehmen auf und dienen gleichzeitig als Kontrollelement, um ein rechtzeitiges Eingreifen zu ermöglichen. Zunächst gilt es herauszufinden, in welchen Bereichen der Logistik die größten Einsparpotenziale liegen und welche Kennzahlen sich am besten eignen, um das jeweilige Potenzial sichtbar zu machen.

Generell gibt es vier Kategorien, in die sich Logistikkosten aufspalten lassen:

Logistikkostenmanagement Bestandteile der Logistikkosten

Abbildung: Einteilung von Logistikkosten; Darstellung nach (Georg, 2016, p. 98)

Abschreibungen sind Kosten, deren Grundlage in Entscheidungen der Vergangenheit liegt, weshalb es sich sehr schwierig gestaltet, schnelle Einsparungen in diesem Bereich zu erzielen. (Georg, 2016, p. 98). Wir konzentrieren uns daher in diesem Text auf die drei anderen Kostengebiete.

Bei der Auswahl der Kennzahlensysteme sollten Sie lediglich 5 bis 10 verschiedene Kennzahlen mit einem relativ geringem Dokumentationsaufwand erfassen (Georg, 2016, p. 100). Damit gewährleisten Sie einen guten Überblick über die Situation in Ihrer Logistik. Dazu betrachten Sie nachfolgend einige typische Kennzahlen.

Produktionskennzahlen

Kundentakt/Taktzeit:

Der Kundentakt und die Taktzeit ihrer Produktion stehen im engen Kontext zueinander, weshalb sie zusammen erklärt werden.

Die Taktzeit ist laut dem Gabler Wirtschaftslexikon die „Zeit, die ein einzelner Arbeitsgang bei Taktproduktion benötigt. Die Taktzeiten müssen aufeinander abgestimmt sein.“ (Gabler Wirtschaftslexikon, 2018)

Angenommen, Ihr Betrieb fertigt in Losgröße 1, so müssen alle Bearbeitungszeiten pro Fertigungsschritt so aufeinander abgestimmt sein, dass keine Engpässe oder Wartezeiten entstehen. Ein weiteres Ziel einer einheitlichen Taktzeit ist die Reduzierung von Beständen. Verläuft die gesamte Produktion nicht im gleichen Takt, entstehen Halbfabrikate, die sich an dem Arbeitsvorgang mit der höchsten Taktzeit anhäufen. Als logische Schlussfolgerung ergibt sich an der darauffolgenden Fertigungsstation ein Leerlauf, wodurch ein erhöhter Aufwand an Personalkosten entsteht.

Bestimmung der Taktzeit

Um die Taktzeit in ihrem Unternehmen zu ermitteln, messen Sie die Zeit, die ihre Losgröße benötigt, um jeweils einen Fertigungsschritt zu durchlaufen.


Tipp 1: Berechnen Sie zuerst Ihren Kundentakt und richten Sie andere Taktzeiten danach aus.


Die Gesamtheit dieser Zeiten, einschließlich Transport- und möglichen Ruhezeiten, bis das Produkt komplett fertiggestellt ist und dem Kunden geliefert werden kann, wird als Durchlaufzeit bezeichnet. Die Durchlaufzeit der gesamten Fertigung muss zwingend mit dem Kundentakt übereinstimmen. Der Kundentakt basiert auf der Verkaufsrate Ihres Produktes. Produzieren Sie schneller bzw. mehr, als Sie verkaufen können, entsteht auf langfristige Sicht eine konstant ansteigende Lagermenge, die eine große Kapitalbindungen mit sich zieht sowie einen erhöhten Aufwand an Personal- und Transportkosten, die Sie aus Ihrem geplanten Gewinn abdecken müssen. Der Kundentakt berechnet sich wie folgt:

Kundentaktzeit =

Nettobearbeitungszeit pro Tag durch durchschnittlicher Kundenbedarf pro Tag

Der Kundentakt bildet somit die Grundlage für die Festlegung des Arbeitsumfangs der Mitarbeiter und hat auch einen signifikanten Einfluss auf die Taktzeit ihrer Produktion, da Sie eine Taktzeitharmonisierung auf nahezu alle Taktzeiten in Ihrer Produktion durchführen müssen.

Logistikkostenmanagement Kundentakt

Abbildung: Auswirkungen des Kundentaktes (Eigene Darstellung)


Achtung: Die Auslegung der Produktion auf den Kundentakt macht vor allem bei sehr großen Stückzahlen mit nahezu gleicher Herstellungsvorgehensweise Sinn! Wenn Ihr Betrieb auf Einzelfertigungen mit stark schwankenden Produktionszeiten ausgelegt ist, ist eine einheitliche Taktzeit unrealistisch!


Beispiel zur Berechnung des Kundentaktes

Sie produzieren im Zweischichtsystem (nur werktags) mit je 8 Stunden Arbeitszeit pro Tag, abzüglich einer halben Stunde Pause pro Mitarbeiter. Pro Tag ist eine halbe Stunde pro Maschine, in der nicht produziert wird, für die Instandhaltung/Säuberung vorgesehen. Sie planen 5 min pro Schicht für Nacharbeit bzw. Produktion von Ausschuss und 5 min pro Tag für ungeplante Stillstände ein. Ihre durchschnittliche Verkaufsmenge pro Werktag liegt bei 800 Stück.

  • Arbeitszeit: 960 Minuten (16 Stunden)
  • Pausen: 60 Minuten (1 Stunde)
  • Instandhaltung: 30 Minuten (0,5 Stunden)
  • Nacharbeit/Ausschuss: 10 Minuten
  • Ungeplante Stillstände: 5 Minuten
  • Daraus ergibt sich die Nettobearbeitungszeit/Tag: 855 Minuten (51.300 Sekunden)

Die Kundentaktzeit beträgt dann: 51.300 Sekunden durch 800 Stück = 61,125 Sekunden pro Stück

Logistikkennzahlen

Die Logistikkennzahlen sagen vorrangig etwas über die Produktivität und Wirtschaftlichkeit Ihres Lagers aus. Beispiele hierfür sind unter anderem die Logistikkosten pro Outputeinheit, die Lieferantenkonzentration, der Lagerzinssatz, die Lagerhaltungskosten, die Kommissionierleistung, etc. In diesem Abschnitt betrachten wir beispielsweise die Umschlagshäufigkeit detaillierter.

Umschlagshäufigkeit:

Die Umschlaghäufigkeit gibt an, wie oft der durchschnittliche Lagerbestand innerhalb einer Periode (in der Regel ein Geschäftsjahr) abgesetzt und durch neue (gefertigte) Produkte ersetzt wird. (Wirtschaftslexikon24, 2018). Die Formel zur Berechnung lautet:

Umschlagshäufigkeit =

Lagerabgänge pro Periode durch durchschnittlicher Lagerbestand


Tipp 2: Erhöhen Sie nach Möglichkeit ihre Umschlagshäufigkeit!


Hier ist ein möglichst hoher Wert anzustreben, da ein niedriger Umschlagswert eine sehr hohe Kapitalbindung an Lagerwaren und somit auch ein hohes Umlaufvermögen bedeutet. Ein großer Lagerbestand kann zusätzlich noch höhere Verwaltungskosten bewirken, da mehr Fläche und Personal benötigt wird.

Pro Branche und Produkttyp können hinsichtlich der Umschlagshäufigkeit große Unterschiede entstehen, die oft mit dem Wert oder der Reproduzierbarkeit des Produktes im Zusammenhang stehen. Somit ist eine einzelne Ware in der Lebensmittelindustrie in der Regel weniger Wert als ein Produkt der Metallverarbeitung. Schlussfolgernd wird innerhalb der Periode eine größere Stückzahl in der Lebensmittelbranche umgesetzt, was dann eine höhere Umschlagshäufigkeit ergibt.

Analyse und Identifizierung von Kostentreibern

Nachdem Sie ihre Kennzahlen erfasst haben, beginnen Sie mit der Analyse der aufgenommenen Daten zur Optimierung Ihrer Logistikkosten. Dazu sind Ihnen nachfolgend zwei verschiedene Prozess- und Produktionsanalysemethoden näher erläutert.

Wertstromanalyse/Wertstromdesign

Ihre Produktion stellt ein Zusammenspiel von Prozessen mit den jeweiligen Schnittpunkten dar, die insgesamt betrachtet einen Fluss ergeben. Um einen Gesamtüberblick über den Fluss zu bekommen, ist die Wertstromanalyse bzw. das Wertstromdesign ein geeignetes Verfahren. Diese Analysemethode lässt sich in nahezu allen Branchen und Betrieben anwenden, da sie im engeren Sinne vor allem die Prozessteuerung veranschaulicht.


Tipp 3: Verbessern Sie nur den Gesamtprozess, und lassen Sie Ihren Wertstrom beim Kunden bzw. Versand starten! Ermitteln Sie anschließend Ihre Engpassstelle, und richten Sie diese nach dem Kundentakt aus!


Die Wertstromanalyse dient dazu, die aktuelle Situation und die derzeitigen Schnittstellen der Prozesse im Unternehmen widerzugeben, damit Verbesserungspotenziale sichtbar werden. Anschließend ist das Wertstromdesign zu erstellen, das den Soll- Zustand nach Verwirklichung der analysierten Potenziale aufzeigt.

Materialfluss und Informationsfluss

Der Materialfluss verläuft immer entgegengesetzt zum Informationsfluss. Er beschreibt den eigentlichen Weg der Fertigung, d.h. vom Rohmaterial über alle Schritte der Fertigung bis zum fertigen Kundenprodukt. Der Informationsfluss spiegelt die Auftragsinformationen wider, welche vom Kunden zur Produktionsplanung und -steuerung gelangen. (Dombrowski & Mielke, 2015, p. 98). Einzeloptimierungen sollten Sie nur dann durchführen, wenn Sie dadurch das Gesamtsystem verbessern.

Typische Prozessdaten, die Sie im Wertstrom aufnehmen können, sind:

  • Bearbeitungszeit,
  • Rüstzeit pro Auftrag,
  • Maschinenverfügbarkeit,
  • Losgröße,
  • verfügbare Arbeitszeit,
  • Anzahl der Mitarbeiter,
  • Fehler- und Ausschussrate,
  • Nacharbeitsquote und der Lagerbestand. (Gorecki & Pautsch, 2013, pp. 99, 100).

Optimierung des Wertstroms zum Logistikkostenmanagement

Die wichtigsten Symboliken zur Erstellung eines Wertstroms können Sie auf der Website www.managementmethoden.info/ unter Schlankheitswerkzeuge/Wertstromanalyse nachlesen.

Bevor Sie die Daten für den Wertstrom aufgenehmen, müssen Sie sogenannte Produktfamilien gliedern. Hierzu fassen Sie alle Produkte mit einer ähnlichen Herstellungsweise zusammen und erstellen pro Gruppe einen Wertstrom. Die Erstellung des Wertstroms beginnt in Richtung des Informationsflusses, also am Warenversand für den Kunden. (Gorecki & Pautsch, 2013, p. 99). Hier bündeln Sie alle Anforderungen und Informationen des Kunden, die ausschlaggebend für die Kundenzufriedenheit sind.

Um den Wertstrom optimal zu takten, ist der zuvor beschriebene Kundentakt essentiell wichtig. Er gibt die zu produzierende Menge pro Zeiteinheit an, und die übrige Produktion ist nach dem Kundentakt auszurichten. Anhand des Wertstroms können Sie die größte Engpassstelle (Schrittmacherprozess) ermitteln. (Gorecki & Pautsch, 2013, p. 99). Für das Wertstromdesign ist es sehr wichtig, diese Fertigungsstation bestmöglich zu belasten.

Generell sollten aus dem Wertstrom Unausgeglichenheiten, jede Art der Verschwendung und Überbelastungen hervorgehen, die Sie im Anschluss beseitigen müssen. Wichtige Konzepte in diesem Zusammenhang sindbeispielsweise

  • Push/Pull,
  • Milkrun,
  • Kanban- System,
  • Produktion für Supermärkte oder für Versand.

Q7- Qualitätswerkzeuge zur Logistikkostenoptimierung

Die sieben Qualitätswerkzeuge dienen zur Erfassung und der Analyse von Qualitätsfehlern. Obwohl der Aspekt der Qualität bisher nicht explizit als Kosteneinsparungsfaktor genannt wird, ist er im übertragenen Sinne ausschlaggebend für alle anderen genannten Einsparungspotenziale. Und damit bieten die Qualitätswerkzeuge ein hervorragendes Werkzeug zur Logistikkostenoptimierung. Wenn Sie einen Qualitätsfehler innerhalb Ihrer Produktion erst zu spät bemerken, entstehen nicht nur Kosten für Nacharbeit oder Ausschuss, sondern es können auch Schadensersatzklagen für bereits ausgelieferte Produkte aufkommen. Die Qualitätswerkzeuge sind recht simpel aufgebaut, jedoch äußerst effektiv in der Anwendung.

Logistikkostenmanagement Q7 Qualitätswerkzeuge

Abbildung: Liste der sieben Qualitätswerkzeugen (Eigene Darstellung)

Qualitätsregelkarte

In der Qualitätsregelkarte werden stichprobenartig die zu prüfenden Maße des Produkts eingetragen.

Logistikkostenmanagement Qualitätsregelkarte

Abbildung: Qualitätsregelkarte

In der vorangehenden Abbildung sind die Messwerte durch die gelben Punkte dargestellt. Die grüne Linie gibt den Mittelwert an, und die roten Linien dienen zur Prozessüberprüfung. Dabei sind die beiden feiner gegliederten roten Linien die Warngrenzen und die beiden äußeren, gröber gegliederten Linien die Eingriffsgrenzen.


Tipp 4: Verkürzen Sie das Intervall der Stichprobenentnahme bei der Überschreitung der Warngrenzen. Und stoppen Sie den Prozess bei der Überquerung der Eingriffsgrenzen!


Übertritt ein Messwert die Warngrenzen, müssen Sie den Prozess mit einer größeren Sorgfalt überwachen, da die Gefahr immer größere Abweichungen droht. Die gesteigerte Sorgfalt erreichen Sie meist durch eine unmittelbare weitere Probeentnahme. Werden schließlich die Eingriffsgrenzen überschritten, müssen Sie den Prozess stoppen, da eine Toleranzüberschreitung droht und fehlerhafte Teile die Folge sind. Mögliche Ursachen für die Abweichung können beispielsweise ein Schichtwechsel oder die Abnutzung eines Werkzeugs sein. Bei einem Schichtwechsel machen die Messwerte oft einen ganzen Sprung und laufen dann auf einem anderen Niveau mit der üblichen Streuung weiter. Ist ein Trend der Messwerte in eine bestimmte Richtung zu beobachten, liegt dagegen der Verschleiß des Werkzeugs nahe.

Maßnahmen zur Optimierung der Gesamtlogistik

Nachdem Sie Fehler, Verschwendung, Unausgeglichenheit oder Überbeanspruchung festgestellt und analysiert haben, erfolgt die Planung geeigneter Maßnahmen zum Logistikkostenmanagement.

Push-/Pull-Prinzip

Push:

Das Push- Prinzip /Bring- Prinzip wird sukzessiv geplant, was bedeutet, dass alle Ebenen durchgeplant werden und der Informationsfluss parallel zum Materialfluss verläuft (Gorecki & Pautsch, 2013, p. 219).

Logistikkostenmanagement Push-Prinzip

Abbildung: Push-Prinzip nach (Gorecki & Pautsch, 2013, p. 219)

Der erste Produktionsschritt wird auf Grund von prognostizierten Kundenaufträgen angestoßen, und daraufhin werden die Halbfabrikate immer zum nächsten Produktionsschritt gedrückt .(Dombrowski & Mielke, 2015, p. 110). Das Push- Prinzip erfordert in der Regel einen hohen Planungsaufwand und hohe Lagerbestände, um nicht eintretende Prognosen abzufangen. Es kann zu Anhäufungen von Zwischenprodukten kommen, falls es zu Ausfällen oder dem Canceln eines Kundenauftrags kommt.

Pull:

Das Pull-System basiert im Gegensatz zum Push-System nicht auf einem Bring-Prinzip, sondern auf einem Hol-Prinzip. Hier wird die Produktion durch den Kunden angestoßen, der ein fertiges Produkt aus dem Lager bezieht. Durch den nun lückenhaften Lagerbestand wird jeder Produktionsschritt rückwärts zum Materialfluss angestoßen. (Dombrowski & Mielke, 2015, p. 110).

Das Supermarkt-Prinzip

Zwischen jedem Fertigungsschritt lagert ein geringer definierter Bestand an Halbfabrikaten (Supermarkt), der nachzufüllen ist, sobald der nachfolgende Produktionsschritt das jeweilige Teil entnommen hat. Der Fertigungsanstoß ist hier also nicht der Fertigungsauftrag selbst, sondern die Anfrage bzw. der Bedarf des nachgelagerten Herstellungsvorgangs. (Gorecki & Pautsch, 2013, p. 220).

Logistikkostenmanagement Pull-Prinzip

Abbildung: Pull-Prinzip nach (Gorecki & Pautsch, 2013, p. 220)

Das Pull- Prinzip ist nachfrageorientiert, weshalb Sie den Lagerbestand im Vergleich zum Push-System reduzieren können. Durch das Hol-Prinzip fällt ein enormer Planungsaufwand weg, der ansonsten durch eine aufwändige Marktforschung und Prognosen verursacht wurde. Falls ein Engpass einer Fertigungsstation durch einen maschinellen oder menschlichen Ausfall entsteht, wird nicht automatisch weiterproduziert. Die Produktion stoppt durch die fehlende Nachfrage der vorgelagerten Stelle, sodass die Unausgeglichenheit direkt lokalisiert und der Anhäufung von Halbfabrikaten der vorgelagerten Stelle vorgebeugt werden kann.


Achtung: Voraussetzung für die Umsetzung eines Pull-Systems ist ein kontinuierlicher Materialfluss, in dem wenig Wartezeiten und Rüstvorgänge definiert sind. Ist die Produktpalette von hohen Varianzen in der Herstellungsart oder von Sonderanfertigungen geprägt, kann es auch zu Problemen in der Umsetzung des Systems kommen. Der Grund hierfür liegt darin, dass keine einheitliche Taktzeit bestimmt werden kann.


Die Entnahme der Fabrikate erfolgt üblicherweise durch das Supermarkt-System. Hier entnimmt der Kunde seine Ware aus dem Regal, die Lücke wird bemerkt und ist anschließend aufzufüllen. Damit dieses System fehlerfrei funktioniert, müssen Sie jedoch die optimale Lagermenge im Supermarkt definieren. Außerdem ist es erforderlich, ein System zur Überwachung des Lagerbestands bzw. zur Signalisierung des Nachfüllzeitpunkts zu entwickeln.

Kombination aus Push-Prinzip und Pull-Prinzip

Es ist auch möglich, beide Systeme (Push-Prinzip und Pull-Prinzip) innerhalb ihrer Produktion zu kombinieren. Nehmen wir einmal an, dass die ersten fünf Fertigungsschritte ihres Produktes immer gleich oder sehr ähnlich verlaufen und Sie später kundenindividuelle Extras hinzufügen. Hier liegt es nahe, die ersten fünf Schritte in einen Wertstrom einzubinden, der durch das Pull-System zu steuern ist, und die kundenspezifische Fertigung durch Aufträge bzw. durch das Push-System zu steuern.


Tipp 5: Achten Sie auf Nachteile und Vorteile beider Steuerungssysteme. Und wägen Sie ab, in welcher Form eine Umsetzung in Ihrer Produktion sinnvoll ist!


Zur Anwendung der Prinzipien gibt es keine einheitliche Faustregel, da die Voraussetzungen der Produktionsstätte unterschiedlich gegeben sind und der Produktionsprozess individuell darauf anzupassen ist. Generell ist in den Industrien, die nach Kundenauftrag arbeiten (das Produkt wird zuerst bestellt, dann erfolgt erst die Herstellung), die Anwendung des Push-Systems sinnvoller. Der Planungsaufwand und die Ungewissheit der Prognosen fallen dort weg, und es sind in der Regel nur Einzelanfertigungen herzustellen.

Mit der Optimierung der Prozesssteuerungssysteme können Sie in jedem der genannten Kostensegmente enorme Einsparungen erzielen! Durch die richtige Kombination können Sie Durchlaufzeiten verkürzen, Personal und Transportwege einsparen und Ihren Lagerbestand reduzieren.

Kanban

Das Kanban-System wird vor allen Dingen in Kombination mit dem bereits beschriebenen Pull-Prinzip angewendet. Das Wort Kanban stammt aus dem Japanischen und bedeutet Karte oder Beleg. (Stoesser, 2017, p. 33). Die Kanban-Karte signalisiert einen Materialbedarf von der verbrauchenden Stelle an den Zulieferer (Dombrowski & Mielke, 2015, p. 114). Das Kanban-System ist ein geschlossener Regelkreis, in dem die Kanban- Karte der Informationsträger ist (Dombrowski & Mielke, 2015, p. 114). Ziel ist es dabei, den Steuerungsaufwand des Materialflusses und die Kapitalbindung in den Lagern zu reduzieren. (Dombrowski & Mielke, 2015, p. 114).

Logistikkostenmanagement mit Kanban

Abbildung: Logistikkostenmanagement mit dem 2-Kreis-Kanban (nach Loos)

Kanban-Karte

Die Kanban-Karte kann in gedruckter oder elektronischer Form (z.B. RFID- Chip) an dem Behälter, der mit dem zu entnehmenden Material gefüllt ist, angebracht sein. Ist der Inhalt des Behälters aufgebraucht, wird er an einen definierten Platz gestellt, an dem er abgeholt wird. Für den Mitarbeiter and diesem Arbeitsplatz sollte bereits ein neuer Behälter mit Material bereitstehen, damit es nicht zu Unterbrechungen der Produktion kommt. An Hand der Kanban kennt die materialzuliefernde Kraft alle Informationen zur Nachlieferung.


Tipp 6: Kombinieren Sie Ihre Pull-Steuerung mit einem Kanban-System, um eine ausreichende Materialversorgung zu gewährleisten! Bestimmen Sie die Art des Auslösers für eine Nachlieferung. Und planen Sie genügend Puffer ein!


Folgende Informationen können beispielsweise auf der Kanban-Karte abgebildet sein:

  • Materialnummer,
  • zuständiger Lieferant (Quelle),
  • verbrauchende Stelle (Senke),
  • Materialname,
  • Grafik des Materials,
  • Mengeneinheit,
  • Wiederbeschaffungszeit,
  • Datum der Erstellung der Karte,
  • Barcode,
  • Nummer und
  • Gesamtanzahl der Kanban-Karten für dieses Material und verantwortlicher Benutzer.

Der Kanban-Prozess

Nach dem Befüllen des Behälters wird dieser wieder an den Fertigungsplatz gebracht und der Zyklus beginnt erneut.

Um dieses System sinnvoll zu implementieren, ist zuvor die Anzahl der bereitstehenden Behälter, die Menge in den Behältern und der Abhol- und Lieferzyklus klar zu definieren.

Darüber hinaus gibt es verschiedene Arten von Kanban-Systemen. So kann der Anstoß zur Nachlieferung des Materials über mehrere Wege erfolgen. Der bekannteste Weg ist die oben beschriebene Kanban-Karte. Diese kann vom Behälter unabhängig entnommen werden, sodass die Materiallieferung auch in einem anderen Behälter erfolgen kann. Ist die Information nicht vom Behälter trennbar, spricht man auch von einem Behälter-Kanban. Hier gibt ausschließlich die Information auf dem jeweiligen Behälter die benötigten Komponenten an. Diese müssen in Folge dessen wieder im gleichen Behälter geliefert werden.

Eine dritte Form ist der Signal-Kanban. Hier ist eine Markierung oder generell ein Signal an das zu verbrauchende Material gehaftet. Sobald das Signal sichtbar wird, muss nachgeordert werden. Eine weitere Möglichkeit zur Verkürzung der Lieferzeit zum Kunden ist das Hinzufügen eines weiteren Regelkreises in das Kanban-System. Hier wird ein Lager beliefert, welches zwischen Quelle und Senke platziert ist. Der Mitarbeiter entnimmt das benötigte Teil, sodass eine Kanban-Karte (Transportkanban) frei wird. Diese wird nicht direkt zur Quelle geschickt, sondern an einen zwischengelagerten Supermarkt. Vom Supermarkt wird das benötigte Material an die Senke transportiert. Hierdurch wird im Supermarkt eine Kanban-Karte frei (Produktionskanban), welche zurück an die Quelle geschickt wird. Der Lieferant oder Produzent liefert anschließend wieder das entnommene Material an den Supermarkt.

Kontrolle der Soll-Ist-Situation zum Logistikkostenmanagement

Nach der Umsetzung der ausgewählten Maßnahmen erfolgt erneut eine Aufnahme von Kennzahlen. Diese sind schließlich final mit den Ist-Werten vor der Optimierung und mit den gewünschten Zielwerten zu vergleichen. Inwiefern hat sich die Optimierung gelohnt? Wie viele Kosten konnten Sie nachhaltig einsparen? Passen die aufgenommenen Werte zu Ihren Zielvorstellungen, die Sie sich vor der Implementierung gesetzt haben?

Wenn Sie Ihre Vorstellungen nicht getroffen haben, beginnt der beschriebene Ablauf erneut. Mit diesem Vorgehen verfolgen Sie durchgehend das Prinzip des PDCA-Zyklus zur Prozessoptimierung. Falls dagegen die Kennzahlen zu Ihrer Zufriedenheit sind, gilt es den Prozess zu standardisieren, nachhaltig zu überwachen und weitere Verbesserungsmaßnahmen durchzuführen. Und dabei gilt die alte Regel:

„Wer aufhört, besser zu werden, hat aufgehört, gut zu sein.“ (Richard Schmitz)

Quellenverzeichnis zum Logistikkostenmanagement

Buchquellen:

  • Bitsch, G. (2019). Digitales Shopfloor-Management: Ein adaptives Informations- und Entscheidungsinstrument im Umfeld von Industrie- 4.0- Prodktionssystemen. in: R. Obermaier, Hrsg. Handbuch Industrie 4.0 und Digitale Transformation. Passau: Springer Gabler Verlag, S. 295-316.
  • Dombrowski, U. / Mielke, T. (2015). Ganzheitliche Prduktionssysteme- Aktueller Stand und zukünftige Entwicklungen. Berlin/Heidelberg: Springer Vieweg Verlag.
  • Erne, R. (2019). Lean Project Management – Wie man den Lean-Gedanken im Projektmanagement einsetzen kann. Wiesbaden: Springer Gabler Verlag.
  • Georg, S. (2016). Cut! Rezepte für ein wirkungsvolles Kostenmanagement. München: Verlag Franz Vahlen GmbH.
  • Gorecki, P. / Pautsch, P. (2013). Praxisbuch Lean Management. Der Weg zur operativen Excellence. München: Carl Hanser Verlag.
  • Stoesser, K. R. (2017). Prozessoptimierung für produzierende Unternehmen. Hockenheim: Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH.

Onlinequellen:

  • Wirtschaftslexikon24, 2018. http://www.wirtschaftslexikon24.com/. [Online]
    Available at: http://www.wirtschaftslexikon24.com/d/umschlagshaeufigkeit/umschlagshaeufigkeit.htm
  • Loos, P. D. P., 2019. enzyklopaedie-der-wirtschaftsinformatik.de. [Online]
    Available at: https://www.enzyklopaedie-der-wirtschaftsinformatik.de/wi-enzyklopaedie/lexikon/informationssysteme/Sektorspezifische-Anwendungssysteme/Produktionsplanungs–und–steuerungssystem/Fertigungssteuerung/Kanban
  • Gabler Wirtschaftslexikon, 2018. gabler.de. [Online]
    Available at: https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/taktzeit-48352/version-271606

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