Materialkosten oder Werkstoffkosten

Als Materialkosten oder Werkstoffkosten bezeichnet man die bewerteten Verbrauchsmengen an Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen (und Handelswaren), die auch für eine ABC Analyse zur Lageroptimierung in der Materialwirtschaft wichtig sein können. Auf die ABC-Analyse gehen wir am Ende des Textes ein. Somit steht bei den Materialkosten der Produktionsfaktor Werkstoffe im Fokus. Streng genommen handelt es sich bei den Materialkosten in diesem Sinne also um die Materialeinzelkosten. Darüber hinaus entstehen noch Materialgemeinkosten im Zusammenhang mit der Beschaffung und Bestandsführung, der Materialwirtschaft und Materialdisposition, der Lieferantenbewertung und dem Lieferantenmanagement sowie die Lagerhaltung. Im Unterschied zu den Materialeinzelkosten sind die Materialgemeinkosten aber im Rahmen der Kostenstellenrechnung zu bestimmen.

Bestimmung der Materialkosten (Materialeinzelkosten)

Zur Bestimmung der Materialkosten sind sowohl die Verbrauchsmengen zu erfassen, als auch die jeweiligen Preise zur Bewertung zu ermitteln. Die Bestimmung der Materialkosten ist Teil der Kostenartenrechnung innerhalb eines Kostenrechnungssystems. Sie liefert somit nicht nur Informationen für die Kostenkalkualtion, sondern auch für die Materialwirtschaft eines Unternehmens. Neben den Personalkosten und den kalkulatorischen Kosten für die Betriebsmittel stellen die Materialkosten eine der zentralen Kostenarten dar. Gerade in der Fertigungswirtschaft und im Handwerk, wenn aus Rohstoffen physische Produkte erzeugt werden, übernehmen die Materialkosten einen signifikanten Anteil an den Gesamtkosten. Deshalb spielt in diesem Branchen die Materialwirtschaft eine große Rolle.

Rohstoffkosten

Rohstoffkosten (Fertigungsmaterialkosten) umfassen in erster Linie die Kosten für Rohmaterialien (z.B. Erze in Stahlwerken, Hopfen in Brauereien) und sind als Einzelkosten (Materialeinzelkosten) auf die Produkte zurechenbar. Hilfsstoffe gehen auch in die Produktion ein, haben aber nur einen sehr kleinen Anteil am Wert des Produktes (z.B. Klebstoffe im Automobilbau). Deshalb werden sie häufig auch, obwohl es eigentlich Einzelkosten sind, als Gemeinkosten (unechte Gemeinkosten) verrechnet. Betriebsstoffe gehen zwar nicht in das eigentliche Produkt ein, sind aber für den Leistungserstellungsprozess notwendig und deshalb als (Material-)Gemeinkosten zu verrechnen.

Materialkosten - Rohstoffkosten

Materialkosten und Materialwirtschaft

Sowohl für Rohstoffe, als auch für Hilfsstoffe und Betriebsstoffe überprüft ein Unternehmen im Rahmen seiner Materialwirtschaft die Kosteneffizienz. Die Materialwirtschaft kümmert sich aber nicht nur um die kostengünstige Beschaffung der Werkstoffe und Materialien, sondern auch um das Lagerwesen, soweit es vom Unternehmen nicht die Bereich Logistik zugeschlagen wird. Außerdem spielen die Prozesse zur Beschaffung, zur Eingangskontrolle und zur Abrechnung für die Materialwirtschaft eine große Rolle. Diese innerbetrieblichen Prozesse stellen die wichtigen Kostentreiber für die Entstehung der Materialgemeinkosten dar. Im Unterschied zu den Materialeinzelkosten, die in diesem Text im Vordergrund stehen, erfolgt die Verrechnung der Materialgemeinkosten aus den genannten Prozessen über die Kostenstellenrechnung.

Erfassung der Verbrauchsmengen in der Materialwirtschaft

Zur Erfassung der Verbrauchsmengen der Werkstoffe sind vor allem drei Methoden bekannt:

      1. Inventurmethode
      2. Skontrationsmethode
      3. Rückrechnung

Inventurmethode

Nach der Inventurmethode errechnet sich der Materialverbrauch aus Lageranfangsbestand zuzüglich der Materialzugänge und abzüglich des Lagerendbestands. Lageranfangsbestand und Materialzugänge geben dabei an, wieviel Material insgesamt in der Abrechnungsperiode zur Verfügung stand. Diese Gesamtmenge ist mit dem dem Endbestand zu vergleichen. Folglich ergibt die Differenz aus beiden Größen den Verbrauch. Aufgabe der Materialwirtschaft ist es, Bedarf und Angebot an Material unter Kostengesichtspunkten aufeinander abzustimmen.

Voraussetzung für die korrekte Anwendung der Inventurmethode ist neben der richtigen Zählung und Messung der Lagerbestände auch eine korrekte Erfassung der Materialzugänge. Dies setzt insbesondere auch voraus, dass eine Überprüfung erfolgt, ob die bestellten Mengen auch tatsächlich den gelieferten Mengen entsprechen.

Inventurmethode zur Materialkostenabrechnung

Beispiel zur Inventurmethode

Bei einem per Inventur ermittelten Anfangsbestand von 500 Stück, laufenden Zugängen während des Abrechnungszeitraums von 1.000 Stück und einem per Inventur ermittelten Endbestand von 400 Stück wurden insgesamt 500 Stück + 1.000 Stück – 400 Stück = 1.100 Stück verbraucht.

Skontrationsmethode

Nach der Skontrationsmethode (Fortschreibung) sind nicht nur die Lagerzugänge, sondern auch die Lagerabgänge mittels spezieller Belege (Materialentnahmescheine, auch elektronisch) zu erfassen. Als Verbrauch ergibt sich dann die Summe der Entnahmemengen laut den Materialentnahmescheinen. Anstelle der Materialentnahmescheinen in Papierform ist inzwischen weitgehend die Buchung im Warenwirtschaftssystem oder im elektronischen Lagerwirtschaftssystem getreten.

Auch die Skontrationsmethode benötigt eine korrekte Datenerfassung. In diesem Fall sind die Materialentnahmen betroffen. Simmt die tatsächlich entnommene Menge auch mit der verbuchten Menge überein? Außerdem ist nicht jede entnommene Menge auch verbraucht. Es kommt immer wieder zu unplanmäßigen Lagerbeständen außerhalb des eigentlichen Lagers in den Räumlichkeiten der Fertigung, z.B. neben Maschinenarbeitsplätzen.

Skontrationsmethode - Materialverbrauch

Rückrechnung / Retrograde Methode

Gemäß der Rückrechnung (retrograde Methode) sind die Verbrauchsmengen aus den erstellten Stückzahlen an Halb- und Fertigfabrikaten zu bestimmen. Der Verbrauch ergibt sich dann als produzierte Stückzahl mal Sollverbrauchsmenge pro Stück (Stücklistenkoeffizient). So benötigt man beispielsweise pro Regal 18 Schrauben. Fertigen Sie nun 200 Regale, dann verbrauchen Sie gemäß der Rückrechnung 3.600 Schrauben.

Im Fall der Rückrechnung ist der Umgang mit (Produktions-)Ausschuss wichtig. Im Produktionsablauf entstehen immer wieder fehlerhafte Teile. Wird ein entsprechendes fehlerhaftes Teil erkannt, stellt sich die Frage, ob der bestimmte Rohstoff bereits verbaut wurde oder noch nicht. Dies hat unmittelbar Auswirkung auf die tatsächlich verbrauchte Rohstoffmenge.

Rückrechnung - Retrograde Methode

Messunsicherheiten in der Materialwirtschaft

Die Ergebnisse der drei Methoden können durchaus differieren, wenn es zu Zähl- und Messfehlern kommt, Mengen falsch dokumentiert sind oder unerwarteter Schwund auftritt. Die Gründe für solche Messunsicherheiten sind bereits zuvor bei den einzelnen Methoden der Materialverbrauchsermittlung dargestellt. Betrachten Sie zum besseren Verständnis der Problematik noch das folgende Beispiel:

Ein Rohstoff R weist am Monatsanfang einen Anfangsbestand von 1.000 kg auf. Sowohl am 10. als auch am 20. dees Monats sind aufgrund von Bestellungen jeweils 500 kg hinzugekommen. Allerdings erfasste man am 5., am 15. und am 25. des Monats auch jeweils einen Verbrauch von 400 kg. Als Endbestand laut Inventur sind 790 kg vermerkt. Schließlich fließt der Rohstoff R mit 0,5 kg in ein Stück des Endproduktes E. Dabe wurden von E insgesamt 2350 Stück hergestellt.

  • Nach der Inventurmethode beträgt der Verbrauch 1.000 kg plus 2 mal 500 kg minus 790 kg = 1.210 kg.
  • Dagegen liefert die Methode der Skontration einen Verbrauch von 3 mal 400 kg = 1.200 kg.
  • Schließlich lässt die Rückrechnung auf einen Verbrauch von 2.350 Stück mal 0,5 kg je Stück = 1.175 kg schließen.

Lernvideo zu den Materialkosten

Im nachfolgenden Lernvideo sind Ihnen die wichtigsten Informationen zu den Materialkosten zusammengefasst:

Bewertung der Materialkosten

„Für die korrekte Darstellung müssen zu den Materialkosten auch deren Beschaffungskosten bspw. für Transport, Verpackung oder Transportversicherung gebucht werden. Einfuhrzölle verteuern das eingesetzte Material ebenso.“ (Quelle: https://www.haufe.de/finance/haufe-finance-office-premium/kostenartenrechnung-5-welche-sind-die-wichtigsten-kostenarten_idesk_PI20354_HI727848.html)

Für die Bewertung des Verbrauchs stehen ebenfalls verschiedene Methoden zur Auswahl:

Materialpreise können auf Basis von Anschaffungspreisen gebildet werden, wobei dazu die tatsächlichen Anschaffungspreise, durchschnittliche Anschaffungspreise oder Anschaffungspreise nach Verbrauchsfolgeverfahren (z.B. Last-in-first-out oder First-in-first-out) herangezogen werden können. Die sinnvolle Verwendung von Verbrauchsfolgeverfahren setzt in der Regel ein bestimmtes Lagersystem voraus. So kann nur dann ein Last-in-first-out Verwendung finden, wenn auch sichergestellt wird, das immer das verbraucht wird, was erst zuletzt beschafft wurde. Weitere Verbrauchsfolgeverfahren sind First-in-first-out, Highest-in-first-out und Lowest-in-first-out. Allen Verbrauchsfolgeverfahren ist gemeinsam, dass sie eine bestimmte Verbrauchsreihenfolge unterstellen.

Verbrauchsfolgeverfahren

Alternativ kann man auch mit Wiederbeschaffungspreisen oder mit festen Verrechnungspreisen arbeiten.

Wiederbeschaffungspreise orientieren sich am Ziel der Substanzerhaltung, mit festen Verrechnungspreisen sollen (meist) kleinere Wertschwankungen ausgeglichen werden.

Quelle mit Amazon-Link: Kosten- und Leistungsrechnung kompakt: Einführende Darstellung mit 48 Aufgaben, Verlagsort: Aachen

Bewertung des Materialverbrauchs

Beispielaufgabe zur Berechnung der Materialkosten

Einem Unternehmen liegen folgende Informationen vor:

Anfangsbestand Material am 01.08.: 408 kg zu durchschnittlichen Ist-Preisen: 2.015,52 €

Zugang am 02.08.: 150 kg zu 5,3 €/kg

Abgang am 04.08.: 300 kg

Abgang am 07.08.: 170 kg

Zugang am 15.08.: 200 kg zu 5,8 €/kg

Abgang am 17.08.: 50 kg

Abgang am 19.08.: 60 kg

Zugang am 29.08.: 100 kg zu 6,2 €/kg

Endbestand laut Inventur: 259 kg

In der oben genannten Abrechnungsperiode wurden 90 Stück von Blendrahmen Größe 1, 300 Stück von Blendrahmen Größe 3 und 130 Stück von Blendrahmen Größe 2 produziert und verkauft. Laut Stückliste enthalten die Produkte folgende Mengen an Material: Blendrahmen Größe 1: 3 kg, Blendrahmen Größe 3: 0,5 kg und Blendrahmen Größe 2: 1 kg.

Berechnen Sie für die oben genannten Angaben den mengenmäßigen Materialverbrauch der Abrechnungsperiode August mit den drei bekannten Methoden.

 

  1. Inventurmethode
Gewicht [kg]Zugang
Lageranfangsbestand408
Zugang am 02.08.150150
Zugang am 15.08.200200
Zugang am 29.08.100100
Lagerendbestand laut Inventur259
Verbrauch (=Anfangsbestand + Zugang – Endbestand)599

 

  1. Skontrationsmethode
Gewicht [kg]Verbrauch
Abgang am 04.08.300300
Abgang am 07.08.170170
Abgang am 17.08.5050
Abgang am 19.08.6060
Verbrauch (=Summe der Entnahmescheine bzw. Verbräuche)580

 

  1. retrograde Methode
Blendrahmen

Größe 1

Blendrahmen

Größe 3

Blendrahmen

Größe 2

Produktionsmenge in Stück90300130
Material-Verbrauch im Endprodukt [kg/Stück]30,51
Einzelverbrauch [kg]270150130
Verbrauch [kg]550

 

Berechnen Sie den wertmäßigen Verbrauch zu durchschnittlichen Ist-Preisen.

Monetäre Bewertung:

Gewicht [kg]€ pro kgWert [€]Durchschnittlicher Ist-Preis pro kg [€/kg]
Lageranfangsbestand4084,942.015,524,94am Periodenanfang
Zugang am 02.08.1505,37955,04am 02.06
Zugang am 15.08.2005,81.1605,24am 15.06
Zugang am 29.08.1006,26205,35am 29.06/

Periodenende

Gesamtwert8584.590,525,35025641 €/kg

 

MethodeVerbrauch [kg]Mittlerer Ist-Preis [€]Bewerteter Verbrauch [€]
Inventurmethode

 

5995,350256413.204,80359
Skontrationsmethode

 

5805,350256413.103,148718
retrograde Methode

 

5505,350256412.942,641026

 

Berechnen Sie auch den wertmäßigen Verbrauch nach der LIFO-Methode.

Verbrauchsfolgeverfahren (Last-In-First-Out):

Der Abgang am 04.08. nutzt die 150 kg vom 02.08. und 150 kg vom Anfangsbestand.

Wertmäßiger Verbrauch (am 04.08.) = 150 kg * 5,3 €/kg + 150 kg * 4,94 €/kg = 1.536 €

Der Abgang am 07.08. nutzt 170 kg vom Anfangsbestand.

Wertmäßiger Verbrauch (am 07.08.) = 170 kg * 4,94 €/kg = 839,8 €

Der Abgang am 17.08. nutzt 50 kg vom 15.08.

Wertmäßiger Verbrauch (am 17.08.) = 50 kg * 5,8 €/kg = 290 €

Der Abgang am 19.08. nutzt die 60 kg vom 15.08.

Wertmäßiger Verbrauch (am 19.08.) = 60 kg * 5,8 €/kg = 348 €

Gesamter wertmäßiger Verbrauch im August = 1536 € + 839,8 € + 290 € + 348 € = 3.013,8 €

Materialkosten und die ABC Analyse

Häufig nutzt man auch die Materialkosten, um das verwendete Material mittels einer ABC Analyse zu klassifizieren. Bei einer ABC Analyse erfolgt eine Einordnung der Bezugsgröße in drei Wertklassen. In Klasse A sind laut ABC Analyse dann die Materialien einzuordnen, deren Materialkosten besonders hoch sind. Das sind oft nur etwa 10 Prozent aller Materialarten, die aber nicht selten bis zu 70 Prozent der Materialkosten ausmachen. Dagegen gehören in Klasse C der ABC Analyse etwa die 70 Prozent der Materialarten, die in Summe nur 10 Prozent der Materialkosten umfassen. Letztlich zählen dann die mittleren 20 Prozent der Materialsorten mit einem Anteil von etwa 20 Prozent an den gesamten Materialkosten zur Klasse B der ABC Analyse.

Auf diese Art und Weise können die für die Kostenrechnung besonders wichtigen Materialien von den unwichtigen getrennt werden. Jedes Material aus Klasse A gemäß der ABC Analyse ist besonders sorgfältig zu planen, da hier große Einsparpotenziale versteckt sind.

Aufgaben zur Berrechnung der Materialkosten

Wenn Sie nach Aufgaben suchen, um Materialkosten zu berechnen, können Sie sich dazu auch das Übungsprogramm zur Kostenrechnung auf der Webseite https://www.meine-ebooks.de/das-konzept-der-kostenrechnung/ anschauen.

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