Probleme der Vollkostenrechnung

Die Probleme der Vollkostenrechnung ergeben sich aus der fehlenden Verursachungsgerechtigkeit der Kostenzuordnung im Rahmen der Produktkalkulation.

Richtige – verursachungsgerechte – Kostenerfassung

Bei der traditionellen Vollkostenrechnung geht es insbesondere um die richtige Kostenerfassung und Zuordnung von Kosten auf die Kostenträger. Als Kostenträger kommen häufig vor allem die marktfähigen Produkte und Dienstleistungen in Frage. Dabei ist im Idealfall das Verursachungsprinzip zu nutzen. Ein Produkt muss so die Kosten tragen, die es auch verursacht. Allerdings greift dieses Prinzip nur bei den Einzelkosten. Zusätzlich fallen jedoch noch Gemeinkosten an. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass sie den Kostenträgern nicht verursachungsgerecht zuzuordnen sind. Stattdessen folgen sie dem Durchschnittsprinzip oder dem Tragfähigkeitsprinzip. Zusätzlich müssen Sie geeignete Schlüsselgrößen finden, um die Gemeinkosten verteilen zu können.

Probleme der Verrechnung von Gemeinkosten

Die alternativen Verrechnungsprinzipien, wie sie im folgenden Lernvideo erläutert sind, bilden somit eines der Problemfelder der Vollkostenrechnung.

3-stufiges System der Kostenrechnung

Zur Kostenverrechnung entwickelte man ein dreistufiges System der Kostenarten-, Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung, welches Sie sicherlich bereits kennen. Während die Kostenartenrechnung der Erfassung und Systematisierung der Kosten dient, verfolgt die Kostenstellenrechnung als Ziel die sinnvolle Verteilung von Gemeinkosten. Dagegen ist die Kostenträgerrechnung, insbesondere als Kostenträgerstückrechnung, mit der Aufgabe betraut, die Produktkalkulation zu gewährleisten. In der Folge können Sie bei der Zuordnung der Kosten im Rahmen der Kostenstellenrechnung und der Kostenträgerrechnung nicht alle Kosten verursachungsgerecht erfassen. Im Ergebnis schränkt diese Methodik die Verwendbarkeit der Ergebnisse ein. Denn zu hohe Vollkosten sind nicht zwingend dem Kostenträger anzulasten. Vielmehr können sie auch von der Verteilung der Gemeinkosten her begründbar sein.

Probleme der Vollkostenrechnung im Überblick

Bei Anwendung der traditionellen Vollkostenrechnung sind folgende Probleme festzustellen:

  1. „Willkürliche“ Verrechnung der Gemeinkosten: Gemeinkosten lassen sich per Definition nicht verursachungsgerecht auf Kostenträger verrechnen (sonst wären es ja Einzelkosten). Aber vielfach lassen sich Gemeinkosten darüber hinaus auch nicht verursachungsgerecht den Kostenstellen zuweisen. Dann nutzen Sie zwar plausible Verteilungsschlüssel zur Zuordnung der Gemeinkosten auf die Kostenstellen. Allerdings gibt es oft mehrere plausible Schlüssel, aus denen einer (beliebig) von Ihnen auszuwählen ist. Dann steht bei der Verrechnung der Gemeinkosten in der Regel das Durchschnitts- oder das Tragfähigkeitsprinzip zur Kostenverteilung im Mittelpunkt.
  2. Kalkulationsproblem: Um eine Kostenträgerstückrechnung durchführen zu können, muss nicht nur die Höhe der Kosten bekannt sein. Auch die Stückzahl, welche die Kosten tragen soll, ist von Ihnen präzise zu schätzen. Dazu bedarf es fundierter Marktkenntnisse und einer stabiler Nachfrage nach den Kostenträgern.
  3. Proportionalisierung fixer Kosten: Die Vollkostenrechnung verlangt, dass Sie alle Kosten auf die Produkte verrechnen. Allerdings müssen Sie dazu die Fixkosten auf die erwartete Leistungsmenge verteilen. Wird tatsächlich aber weniger als ursprünglich erwartet produziert, werden zu wenige Fixkosten verrechnet. In der Folge erwirtschaftet das Unternehmen weniger Gewinn (oder sogar einen Verlust). Dagegen führt die Situation, dass Sie mehr als erwartet produzieren, dazu, dass Sie zu viele Fixkosten verrechnen. Zwar  führt dies grundsätzlich zu einem unproblematischen Gewinnzuwachs. Allerdings tritt dieser nur ein, wenn Sie die höhere Leistungsmenge auch zum geplanten Preis verkaufen konnten.

Proportionalisierung fixer Kosten

Ergänzend wollen wir an dieser Stelle auch einmal ChatGPT und Hilfe bitten und fragen den Chatbot nach den ihm bekannten Problemen der Vollkostenrechnung:

Die Probleme der Vollkostenrechnung laut ChatGPT

Trotz ihrer langen Geschichte und ihrer Verbreitung in vielen Unternehmen sind der Vollkostenrechnung einige Probleme und Herausforderungen eigen:

1. Vernachlässigung der Unterscheidung zwischen fixen und variablen Kosten

Ein zentrales Problem der Vollkostenrechnung ist, dass sie fixe und variable Kosten nicht voneinander trennt. Dies kann zu Verzerrungen führen, da nicht alle Kosten in gleichem Maße zur Entscheidungsfindung beitragen. Fixe Kosten bleiben unverändert, unabhängig von der Produktionsmenge, während variable Kosten mit der Produktionsmenge schwanken. Unternehmen könnten sich in der Folge dazu verleiten lassen, Produkte oder Dienstleistungen herzustellen, die zwar alle fixen und variablen Kosten decken, aber nicht ausreichend zur Deckung der Opportunitätskosten beitragen.

2. Fehlende zeitliche Dimension

Die Vollkostenrechnung berücksichtigt nicht ausreichend die zeitliche Dimension. Sie betrachtet alle Kosten als gleichwertig, unabhängig davon, wann sie anfallen. Dies kann dazu führen, dass langfristige Kosten und kurzfristige Kosten gleich bewertet werden, obwohl in der Realität langfristige Kosten oft schwerwiegender sind. Es ist wichtig, die zeitliche Dimension der Kosten in Betracht zu ziehen, insbesondere bei langfristigen Investitionsentscheidungen.

3. Fehlende Anpassungsfähigkeit an veränderte Marktbedingungen

Die Vollkostenrechnung basiert auf historischen Kosten und Annahmen. Sie berücksichtigt jedoch nicht ausreichend die Dynamik des Marktes und veränderte Rahmenbedingungen. In schnelllebigen Branchen und in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit kann die Vollkostenrechnung zu Fehlentscheidungen führen, da sie keine schnelle Anpassung an neue Gegebenheiten ermöglicht.

4. Schwierigkeiten bei der Produktkostenkalkulation

Bei der Herstellung von Produkten kann die Vollkostenrechnung zu Problemen führen. Die Allokation der Gemeinkosten auf Produkte kann komplex sein und zu ungenauen Produktkosten führen. Dies wiederum kann die Preisgestaltung und die Rentabilität der Produkte beeinflussen.

5. Mangelnde Transparenz und Intransparenz

Die Vollkostenrechnung kann zu mangelnder Transparenz führen. Da sie alle Kosten in einem einzigen Pool zusammenfasst, kann es schwierig sein, die Kostentreiber und Ursachen für Kostensteigerungen zu identifizieren. Dies kann die Problemanalyse erschweren und die Umsetzung von Kosteneinsparmaßnahmen behindern.

6. Opportunitätskosten werden nicht berücksichtigt

Ein entscheidendes Problem der Vollkostenrechnung ist, dass sie Opportunitätskosten nicht erfasst. Opportunitätskosten sind die Kosten, die durch die Wahl einer bestimmten Handlungsalternative entstehen, die Verzicht auf andere Alternativen mit sich bringt. Dies ist besonders relevant bei Investitionsentscheidungen, da die Wahl einer Investition oft den Verzicht auf andere Möglichkeiten bedeutet.

Zusammenfassung der Probleme der Vollkostenrechnung

Die Vollkostenrechnung ist eine traditionelle Methode der Kostenrechnung, die jedoch mit einer Reihe von Problemen behaftet ist. Die Vernachlässigung der Unterscheidung zwischen fixen und variablen Kosten, die fehlende zeitliche Dimension, mangelnde Anpassungsfähigkeit an veränderte Marktbedingungen und die Intransparenz sind einige der Herausforderungen, denen Unternehmen bei der Anwendung der Vollkostenrechnung begegnen können. Unternehmen sollten sich dieser Probleme bewusst sein und alternative Kostenrechnungsmethoden in Betracht ziehen, um fundierte und wettbewerbsfähige Entscheidungen zu treffen.

Lösung der Probleme der Vollkostenrechnung

Die Probleme der Vollkostenrechnung können durch verschiedene Ansätze und Techniken gelöst oder zumindest gemildert werden. Hier sind einige Vorschläge:

Differenzierung von fixen und variablen Kosten: Um die Probleme im Zusammenhang mit der Vernachlässigung der Unterscheidung zwischen fixen und variablen Kosten zu lösen, empfiehlt es sich, eine differenzierte Kostenrechnung zu implementieren. Dies kann die Einführung von Teilkostenrechnungen wie der Deckungsbeitragsrechnung oder Activity-Based Costing (ABC) umfassen. Diese Ansätze ermöglichen eine präzisere Zuordnung von variablen und fixen Kosten zu Produkten oder Projekten.

Zeitbezogene Kostenrechnung: Um die zeitliche Dimension der Kosten besser zu berücksichtigen, sollten Unternehmen eine zeitbezogene Kostenrechnung implementieren. Dies kann bedeuten, langfristige Kostenprognosen zu erstellen und die Berücksichtigung von Kapitalkosten (z. B. Zinsen) bei Investitionsentscheidungen sicherzustellen.

Flexible Kostenrechnungssysteme: Um sich an veränderte Marktbedingungen anzupassen, sollten Unternehmen flexible Kostenrechnungssysteme einführen. Dies beinhaltet regelmäßige Überprüfungen und Anpassungen der Kostenstrukturen. Ein agiles Kostenmanagement kann sicherstellen, dass die Kostenrechnung den aktuellen Unternehmensanforderungen gerecht wird.

Kostentreiberanalyse: Um die Produktkostenkalkulation zu verbessern, ist eine detaillierte Kostentreiberanalyse erforderlich. Dies ermöglicht eine präzisere Zuordnung von Gemeinkosten zu Produkten. Die Identifizierung von Kostentreibern hilft auch bei der Priorisierung von Kostensenkungsmaßnahmen.

Transparente Kostenstruktur: Um die Intransparenz zu reduzieren, ist es wichtig, die Kostenstruktur transparenter zu gestalten. Dies kann durch eine klare Zuordnung von Kostenverantwortlichkeiten und die Implementierung von Kostenmanagement-Tools wie Kostenrechnungssystemen erreicht werden.

Berücksichtigung von Opportunitätskosten: Um Opportunitätskosten zu berücksichtigen, sollten Unternehmen bei Investitionsentscheidungen eine umfassende Nutzwertanalyse durchführen. Diese Analyse berücksichtigt nicht nur die direkten Kosten, sondern auch die potenziellen Gewinne oder Verluste, die mit verschiedenen Handlungsalternativen verbunden sind.

Kostenmanagement-Software: Die Implementierung von moderner Kostenmanagement-Software kann Unternehmen dabei unterstützen, die Probleme der Vollkostenrechnung zu bewältigen. Diese Software bietet oft Funktionen zur Aufschlüsselung von Kosten, zur Erstellung von Kostenprognosen und zur automatisierten Berichterstattung.

Die Auswahl der geeigneten Lösungen hängt von den spezifischen Anforderungen und Herausforderungen eines Unternehmens ab. Es ist ratsam, Experten im Kostenmanagement oder Unternehmensberater hinzuzuziehen, um maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln. Insgesamt ist es wichtig, die Kostenrechnung als ein flexibles Instrument zu betrachten, das kontinuierlich an die sich ändernden Unternehmensbedürfnisse angepasst werden kann.

 

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